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Schwimmbad vs. Fußball

Eigentlich gehe ich nur zum Fußball. Mehr brauche ich nicht. Ich bin bei jedem Spiel meines Teams dabei. Auch auswärts, klar. Seit Kurzem habe ich eine neue Freundin. Die geht nicht zum Fußball, sondern ins Schwimmbad.
Komm doch mal mit mir ins Schwimmbad, sagt sie.
Wenn du mit zum Fußball kommst, sage ich.
(Was man nicht alles macht, wenn man eine neue Freundin hat.)
Wie kommt man an Tickets, frage ich. Vorverkauf? Oder hast du eine Dauerkarte?
Einfach hingehen und Eintritt bezahlen. Wann immer du willst. Sie klimpert mit den Augen.
Dann halt sofort.
Wir stehen im Eingangsbereich des Stadions. Keine Sicherheitskontrollen, keine Warteschlangen.
Du musst dich umziehen und duschen. Wir sehen uns am Becken, sagt sie.

Staunend betrete ich wenig später das überdachte Stadion. Das Hauptfeld erinnert an die Partie Deutschland-Polen bei der WM 74. Es ist okay den Rasen zu wässern, um ein schnelles Kombinationsspiel aufziehen zu können. Aber die hier haben doch etwas übertrieben. Auf Eckfahnen wird komplett verzichtet, dafür gibt es an der einen Torauslinie in regelmäßigen Abständen niedrige Metallpodeste. Vielleicht muss der Torwart von dort abschlagen.
Meine Freundin winkt von einem Liegestuhl, ich gehe hin.
Kommst du mit ins Wasser, fragt sie.
Ne, noch nicht. Ich muss erst mal das Spiel kapieren, sage ich.
Sie springt mit einem Kopfsprung in den Sintflutrasen, ich übernehme ihren Liegestuhl. Der Sinn des Spiels erschließt sich mir nicht. Es gibt einen Haupt- und zwei Nebenplätze. Mehrere Bälle, gänzlich verschieden in Größe und Gewicht, werden auf dem einen Nebenplatz zugepasst. Sind das alles Torleute oder wieso pfeift keiner Hand? Die Spieler tragen auch keine einheitlichen Trikots. An dem Rand des anderen Nebenplatzes stehen Türme in drei verschiedenen Höhen. Davon werden vielleicht Spieler gestürzt, die einen Elfmeter verschossen haben oder abwanderungswillige Trainer, die noch Vertrag haben.
Die warme Luft und das hallende Echo machen mich dösig, müde und um Erkenntnis ringend schaue ich umher.
Die erfahrenen Spieler auf dem Nebenplatz haben scheinbar die Aufgabe, die kleinen Nachwuchsspieler ins Wasser zu werfen.
Picklig-pubertierende Jugendliche müssen gleichaltrige Mädchen unter Wasser tauchen. Ergraute Männer legen sich schnaufend auf den Rücken, so dass der Bauch wie eine Insel aus dem Wasser ragt. Die älteren Damen haben Sorge zu tragen, dass ihr Haar nicht nass wird. Die ganz jungen Spieler rennen über die glitschigen Fliesen und rutschen dann den Rest des Weges auf allen Vieren. Es geht wohl darum, wer zuerst ein Pflaster von Dr. Müller-Wohlfahrt braucht. Ich sehne den Halbzeitpfiff herbei.

Ein Pickligpubertierender macht in Richtung einer Trockenhaar-Omi eine Arschbombengrätsche.
Foul, brülle ich und springe auf. Gefährliches Spiel, er nimmt bewusst ihre Verletzung in Kauf, doziere ich laut, ohne eine Zeitlupe oder den Videoassistenten zu brauchen.
Der Schiedsrichter, der hier nicht schwarz, sondern weiß trägt, lässt sich von mir beeinflussen, pfeift und zieht glatt rot. Der Picklige muss vorzeitig unter die Dusche. Hat er jetzt davon.
Das war es an Action. Ich lege mich wieder hin und nicke ein.

Bist du zum Spaß hier? Etwas zwickt mich in die große Zehe. Ich schrecke hoch, meine Freundin grinst mich an und tropft mich nass.
Geh doch mal ins Wasser, fordert sie mich auf.
Ich hab das Spiel noch nicht verstanden, sage ich. Zum Beispiel diese Navy Seals. Was ist deren Aufgabe?
Ich zeige auf die mit dem breitem Kreuz, Gummisturmhaube und verdunkelter Schwimmbrille, die alles über den Haufen kraulen, was ihnen auf dem Hauptfeld in die Bahn kommt.
Du würdest sagen: Mittelfeldspieler. Die machen Strecke, schaffen Wege, blocken für die Wide Receiver, fängt meine Freundin an zu dozieren. Will sie mir jetzt mit aufgeschnapptem Sportschauwissen imprägnieren oder sind das die Überbleibsel vom letzten Super Bowl?
Da kommt plötzlich Bewegung ins Spiel. Den Navi-Seals werden per schwimmenden Flatterband von den Schiris zwei Bahnen geklaut. Dann rollen die Unparteiischen Fahrräder herbei und schmeißen sie ins Wasser. Illegale Müllentsorgung? Weit gefehlt, die Räder werden akkurat zum Beckenrand hin ausgerichtet, die Lenker schauen neugierig aus dem Wasser.
Dann zieht, wie im Dschungelbuch, eine Herde zweibeiniger Elefanten ein. Versenkt sich im Wasser und erklimmt die Räder. Musik ertönt, eine Animateurin leitet dieses merkwürdige Kopf-an-Kopf-Rennen, das aber keine der Teilnehmerinnen für sich entscheiden kann. Trotzdem strampeln alle unverdrossen weiter, mal im Sitzen, mal im Stehen, immer im Takt der kreisenden Fäuste der Tourleiterin am Beckenrand.

Eine sonore Stimme aus dem Off bedankt sich ohne konkrete Nennung der Besucherzahl für unser Hiersein und kündigt das Spielende an. Alle Spieler verlassen die Becken, schlüpfen gehorsam in die Adiletten und gehen unter die Dusche.
Wie fandst du es, fragt meine Freundin.
Mal was ganz anderes, sage ich diplomatisch.

Aber damit haben wir einen neuen Spielstand:
Fußball: Eins!
Schwimmbad: Nuuulllll!
Danke.
Bitte.

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