Eigentlich gehe ich nur zum Fußball. Mehr brauche ich nicht. Ich bin bei jedem Spiel meines Teams dabei. Auch auswärts, klar. Seit Kurzem habe ich keine neue Freundin. Die Letzte ging nicht mit zum Fußball, was für mich nicht ging, weshalb sie ging.
Es gibt Singlebörsen im Internet, sagt die Freundin meines besten Kumpels. Alle 11 Minuten verliebt sich eine Spielerin in einen neuen Verein! Sie zwinkert mir zu. Versuch’s doch mal! Abends sitze ich vor dem Rechner und melde mich an. Um auf diesem Transfermarkt tätig zu werden, muss erst die Kreditkarte bluten. Wenn ich mich nicht für einen Monat, sondern für eine halbe Saison einkaufe, zahle ich zwar viel mehr, aber es wird billiger. Magisch! Es macht „Klick“, ich bin Premiummitglied und schon ploppen die Profile der Spielerinnen auf wie Raketen in der Silvesternacht. Hammerkrass! Alles, was du wissen musst. Bei welchem Verein sie aktuell Vertrag haben oder ob sie vereinslos sind, welche Positionen sie spielen können, ob sie einen Job im Nachwuchsleistungszentrum anstreben und parallel zur eigenen Karriere eine Bambinimannschaft trainieren wollen, ob sie nur mal für ein unverbindliches Freundschaftsspiel vorbeigucken oder ewige Vereinstreue schwören und geruhsam mit dir ihre Karriere ausklingen lassen wollen.
Eine gefällt mir auf Anhieb, sie trägt ein sehr cooles Auswärtstrikot. Ihre Augen sagen mir, dass sie ein Spiel lesen kann. Mit ihr spiele ich No-Look-Pässe mit einer Passquote von 100%. Ich like sie und schreibe ihr begeistert, dass sie heute auf ein Probetraining vorbeikommen soll.
Nicht so stürmisch, meint sie. Lass uns erst mal ein bisschen schreiben. Ob die Chemie stimmt.
Meinst du Doping?, schreibe ich zurück. Damit habe ich nichts am Hut. Und schreiben ist auch nicht so meins, das machen besser die Jungs von 11 Freunde und vom Kicker.
Was willst du eigentlich?, fragt sie.
Spielen, antworte ich.
SPINNST DU? Plötzlich schreibt sie nur noch Großbuchstaben. Ihre Tastatur klemmt, naja, Frauen und Technik.
Um was, wenn nicht ums Spielen, geht es beim Fußball? Aber das kann ich sie nicht mehr fragen. Sie hat mich blockiert und ich habe mich zwangsweise ein bisschen orientiert.
Es gibt den Spielerintyp „Hedwig“: Dieser Typ liked mich. Aber Hedwig ist chancenlos in der Bundesliga, konditionell hat sie nicht mehr genug Körner für zwei Halbzeiten, sie ist eher was für die Ersatzbank in der Regionalliga. Das meine ich nicht despektierlich, aber ich will zumindest eine konkurrenzfähige Zweitliga-Mannschaft aufstellen.
Und dann gibt es den Spielerintyp „Jeanette“, der mich leider nie liked. Sie spielt ausschließlich Champions League und hat für meinen Jahresetat völlig utopische Gehaltsvorstellungen, da brauche ich gar nicht erst anzuklopfen.
Was aber alle Spielerinnen eint: Gesucht wird durchgehend ein Mann ab 1 Meter 85. Jetzt mal im Ernst: Was soll das? Habt ihr alle einen Vaterkomplex? Ein steinzeitliches Beschützt-Werden-Wollen vor dem Säbelzahntiger? Sucht ihr alle einen Zielspieler vor dem gegnerischen Tor? Wisst ihr eigentlich, wie groß Lionel Messi ist? (Und er ist schließlich der Größte!)
Egal, ich werde meinen Königinnentransfer noch tätigen, und dank meiner Kreditkarte ist das Transferfenster noch lange geöffnet.
Das Bild einer kleinen Stämmigen ploppt auf. Sie hat ein bezauberndes Lächeln und lässt sich medienwirksam bei der PK vors Mikrofon setzen. Ihre Gehaltsvorstellung ist realistisch, sie ist ablösefrei und an einer langfristigen Vereinsbindung interessiert. Diesmal ist meine Strategie defensiver und ich schlage nicht beim Erstkontakt ein Probetraining vor. Geduld ist gefragt und geschriebenes, defensives Mittelfeldgeplänkel. Wir schreiben hin, wir schreiben her. Kein Raumgewinn, wir neutralisieren uns, stehen kompakt, lassen wenig zu, keine Strafraumszenen. Nach einer Woche Schreiberei droht die Verlängerung und das Elfmeterschießen. Also versuche ich doch den Lucky Punch zu erzwingen und lade sie zum Probetraining ein.
Na endlich, schreibt sie, ich dachte schon, du fragst nie. (Wieso hat sie mich nicht eingeladen? Die Spielregeln hier habe ich noch nicht ganz gecheckt.)
Pünktlich erscheint sie zum Probetraining. Doch was ist das? Die Stämmige ist noch süß, aber zu einem Stamm mutiert, und ihr Profilfoto datiert aus den Anfangsjahren der Karriere. Sie mustert mich und meint: Du spielst auch nur noch Alte Herren, oder? Dann sagt sie, dass sie was anderes sucht. Wir tauschen noch kurz Höflichkeiten aus und wünschen uns alles Gute für die weitere Karriere.
Ich versuche es bei einer dritten Spielerin. Die guckt auf ihrem Profilbild zwar ein bisschen verkniffen wie eine vegane Mischung aus Thomas Tuchel und Ralf Rangnick, aber was soll’s. Sie will kein Probetraining und auch nicht schreiben, sondern telefonieren. Meine Stimme, erklärt sie, könne sie lesen wie ein Buch. Ob ich noch emotional an meinen alten Verein gebunden bin? Ob ich zu Vertragsbrüchen neige? Wie viele rote Karten ich schon gesehen habe? Ob der letzte Vertrag im beiderseitigen Einvernehmen aufgelöst wurde oder ob ich noch Verpflichtungen habe? Fragen über Fragen: Die will nicht Mitspielerin, sondern Trainerin und Teampsychologin in Personalunion sein.
Bist du emotional überhaupt schon bereit für einen neuen Verein?, fragt sie.
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel, philosophiere ich.
Du bist mir zu eindimensional, sagt sie, du hast ja nur Fußball im Kopf.
Stimmt, sage ich. Übrigens: Mein Team hat heute ein Heimspiel. Ich muss los! Und habe ganz schnell aufgelegt.
Wie fandst du die Singlebörse, fragt die Freundin meines Kumpels. Wie immer vor Heimspielen treffen wir uns am Bratwurststand.
Ganz nett, sage ich. Aber zum Scouting gehe ich jetzt wieder auf die echten Sportplätze.
Damit haben wir einen neuen Spielstand:
Fußball: Eins!
Singlebörse: Nuuulllll!
Danke.
Bitte.
Jan Sulimma
Schöne Geschichte erklärt warum Männer deutlich mehr Zeit mit Fußball als mit Singelbörsen verbringen