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Das Monster im Kleiderschrank

Lena liegt im Bett und drückt ihren Teddy fest an sich. Sie hält den Atem an und lauscht in die Dunkelheit. Da war ein Geräusch. Ein Schmatzen, ein Schlabbern, ein Gluckern, ein Gurgeln. Wie ein Monster mit ohne Zähne, das grüngelben, giftigen Sabber hochzieht. Lenas Herz rast wie eine wilde Ponyherde. Bestimmt kann das Monster ihren Herzschlag hören.
Mama und Papa sind zu einer Geburtstagsfeier gefahren. Und ihr großer Bruder schläft seelenruhig im Stockbett über ihr.
„Ben“, zischt sie, „wach auf!“
„Was’n los?“ Ben gähnt.
„Ein Monster will mich fressen!“, flüstert Lena.
„Deswegen weckst du mich?“, sagt Ben genervt.
„Pssst, nicht so laut. Das Monster hört uns!“
„Du guckst zu viel Sesamstraße. Schlaf weiter, die fressen nur Kekse.“
„Nein, da ist in echt ein Monster! Der Magen knurrt und es zieht Sabber hoch!“
„Lecker.“ Ben setzt sich auf, sein Bett knarrt. „Wo hast du es gehört?“
„Im Schrank.“
Plötzlich gurgelt und schmatzt es wieder.
„Hast du’s gehört?“ Lena fängt an zu weinen. „ Das will fressen!“
„Ach Quatsch“, Ben knipst seine Leselampe an. „Es gibt keine Monster im Schrank!“
„Dann mach ihn auf!“, bittet Lena. „Ich kann sonst nicht schlafen.“
„Du nervst!“, schimpft Ben, klettert aber die Leiter herunter.
Als er den Schrankgriff in der Hand hat zögert er, dann schüttelt er den Kopf. „Ich muss da nicht reingucken, weil nämlich – Monster gibt’s gar nicht.“
„Und das Geräusch?“, fragt Lena.
„Was weiß ich. Ich schieb den Schreibtisch vor den Schrank! Dann ist dein blödes Monster eingesperrt und wir können endlich weiter pennen.“
Ächzend verschiebt Ben den schweren Schreibtisch, krabbelt die Leiter nach oben und kuschelt sich unter die warme Bettdecke.
„Ich kann trotzdem nicht schlafen“, murmelt Lena noch, kurz darauf hört Ben sie gleichmäßig atmen. Die kleine Nervensäge schläft.

Ben starrt in die Dunkelheit, seine Gedanken fahren Karussell. Was war da bloß im Kleiderschrank?
Da hört er Schritte in der Wohnung. Einbrecher, schießt es durch seinen Kopf. Er knipst das Licht an, springt die Leiter runter und rüttelt Lena an der Schulter. Dann schiebt er den Schreibtisch vor die Zimmertür und türmt den Schreibtischstuhl darauf.

„Wieso steht der Schreibtisch jetzt da?“, fragt Lena verschlafen.
„Einbrecher! Los, unters Bett!“, kommandiert Ben.
Aus ihrem Versteck sehen sie, wie sich die Türklinke ganz langsam nach unten bewegt. Vor Angst krallt sich Lena in Bens Arm. Der hält die Luft an, um nicht loszuschreien. Die Tür wird ins Zimmer gedrückt, der Schreibtisch leistet Widerstand. Von außen wird stärker gedrückt. Polternd kracht der Stuhl vom Schreibtisch.
„Ben, Lena, seid ihr da drin?“, ruft eine Stimme.
„Papa!“ Erleichtert kommen beide hervorgekrochen.
Ben schiebt den Schreibtisch zur Seite.
„Was ist denn hier los?“ Frau Funke stürmt ins Zimmer.
Lena kuschelt sich in ihre Arme. Herr Funke drückt Ben an sich.
„Da ist ein Monster“, sagt Lena.
„Und ich hab‘ Einbrecher gehört“, sagt Ben.
„Jetzt mal eins nach dem anderen. Deine Einbrecher: Das waren wohl wir!“, sagt Herr Funke.
„Und wo ist das Monster?“, fragt Frau Funke.
„Da drin!“ Lena zeigt ängstlich auf den Kleiderschrank.
„Wer ist mutig?“, fragt Frau Funke.
„Ich!“ Entschlossen geht Ben auf den Schrank zu und öffnet ruckartig die Tür.
„Hab ich doch gesagt!“, triumphiert er. „Kein Monster!“
Da ertönt das schmatzende Gurgelgeräusch.
„Das Monster!“, Lena drückt sich an ihre Mutter.
Über Frau Funkes Gesicht huscht ein Lächeln. Sie zeigt auf die Heizung neben dem Schrank.
„In der Heizung ist Luft drin. Die Luft macht die komischen Geräusche.“
„Ich hol’ den Schraubenschlüssel zum Entlüften!“ sagt Herr Funke.
Kurz darauf hält er ein Schälchen neben die Heizung und öffnet das Ventil mit dem Schraubenschlüssel. Stinkige Luft zischt aus der Heizung.
„Bäh, das mieft ja monstermäßig!“ Lena rümpft die Nase.
Ben grinst. „Also hatten wir doch ein Monster im Zimmer.“

Illustration: Doris Martin – doris.martin@mail.de

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